Kunst, Politik oder Spielerei? Das Penthaus à la Parasit ist eine Intervention, die nicht gleich in allen Dimensionen offenbart. Das Penthaus ist verspielt, und doch irritiert es mit Ernsthaftigkeit. Trotz dieser Vielschichtigkeit – oder vielleicht auch gerade deswegen – kann das Penthaus einen politischen Beitrag leisten. Dafür benutzt es verschiedene Mechanismen, mit denen es am realpolitischen System andocken kann. Dabei werden insbesondere drei Kanäle verwendet: Erstens, parasitäres Agenda-Setting. Zweitens, parasitäre Entscheidungsbeeinflussung und drittens, parasitäre Netzwerkinkubation. Diese ermöglichen dem Penthaus zum Parasiten im politischen System zu werden.
Die offensichtlichste Penetration des politischen Systems geschieht durch die Beeinflussung der öffentlichen Aufmerksamkeit. Grundsätzlich gibt es jederzeit quasi unendlich mögliche Themen, mit denen sich Politik bzw. politische Entscheidungsträgerinnen befassen können. Es findet ein permanenter Aussiebungsprozess zwischen den Themen, die auf die politische Agenda kommen, und den Themen, die politisch ignoriert werden, statt. Vereinfacht gesagt: Ein politisches Thema ist auf der Agenda, wenn es von Politikerinnen diskutiert und nicht ignoriert wird. Hier kann eine künstlerische Intervention den Unterschied machen zwischen ignorieren und nicht ignorieren.
Das Penthaus à la Parasit platziert das Thema “Mangel an bezahlbarem Wohnraum” auf der politischen Agenda. Beispielhaft hierfür ist die Intervention des Penthaus à la Parasit in München 2020. Die Intervention begann in der Hochphase des Corona-Lockdowns im Juni 2020. Zu diesem Zeitpunkt hat die Corona-Pandemie nahezu die komplette politische Agenda geprägt. Das Penthaus à la Parasit vermochte – zumindestens auf stadtpolitischer Ebene – das Thema bezahlbares Wohnen wieder auf die Tagesordnung der politischen Entscheidungsträger*innen zu setzen.
Auf der einen Seite geschieht dies durch die Berichterstattung. Diese wird von Menschen in der Politik gelesen und oft auch kommentiert, sei es im Rahmen von Anfragen von Journalistinnen oder auf den eigenen sozialen Medien. Dies passiert jedoch nur, wenn die Intervention in der Logik der Medien Sinn macht und als berichtenswert erachtet wird. Dafür muss das Thema auch von den Journalistinnen zumindest im Kern verstanden und als relevant betrachtet werden. Hinzu kommt, dass es einen Anlass für die Berichterstattung braucht. Bei einer Intervention wie dem Penthaus à la Parasit ist dies meist durch den Beginn einer Intervention gegeben.

Auf der anderen Seite findet das Agenda-Setting im Rahmen der Veranstaltungen statt, die rund um das Penthaus à la Parasit organisiert wurden. Etwa bei einer Podiumsdiskussion zur These “Bezahlbare Penthäuser für München!” mit jungen Politikerinnen und einer Diskussionsveranstaltung mit der Stadtbaurätin von München Prof. Elisabeth Merk. Im Rahmen der Veranstaltungen mussten sich die Teilnehmerinnen mit Fragen rund um das Thema bezahlbares Wohnen in München befassen und Position beziehen. Dieser Positionierungs- und Rechtfertigungszwang treibt wiederum die politische Debatte voran. So können dadurch neue Positionen und politische Mehrheiten sichtbar werden.
Ein weiterer Angriffspunkt des Penthaus à la Parasit ist die Beeinflussung konkreter politischer Entscheidungen. Durch die Auswahl eines spezifischen Interventionsortes oder die Zuspitzung der Interventionsbotschaft auf eine konkrete Frage kann das Penthaus à la Parasit auch auf eine Entscheidung Einfluss nehmen. Im einfachsten Fall wäre dies erst einmal nur die Frage: Darf das Penthaus à la Parasit stehen bleiben oder nicht. Durch den öffentlichen Charakter der Intervention kann diese Entscheidung zum Beispiel in der zuständigen Behörde von der Sachbearbeitungsebene auf die Leitungsebene befördert werden. Dies geht oft mit der Berücksichtigung weiterer Faktoren einher, etwa dem Image der Stadt. Außerdem ist es für höhere Ebenen in der Bürokratie leichter, Ausnahmen zu machen oder sogar mit Leitentscheidungen eine neue Politik für eine Behörde festzulegen. Im Fall der Intervention in München fand beispielsweise eine Diskussion über eine mögliche Genehmigung der Intervention direkt mit der Leitung der zuständigen Baubehörde, der Lokalbaukommission statt. Die Leitung war in diesem Moment gezwungen, eine Grundsatzentscheidung zum Penthaus à la Parasit zu treffen und konnte erst danach das Verfahren wieder an die eigentlich zuständige Sachbearbeitungsebene delegieren.
Die Beeinflussung politischer Entscheidungen meint jedoch primär die Beeinflussung von Entscheidungen mit größerer Reichweite als das Penthaus. Hier greifen jedoch die gleichen Mechanismen. So thematisierte das Penthaus à la Parasit die konkrete politische Entscheidung, wie hoch in München gebaut werden darf. Indem es einfach ein Haus über die eigentlich genehmigte Bauhöhe setzt, wird die Limitierung der Bauhöhe symbolisch und konkret gleichzeitig in Frage gestellt. Würde dies im Rahmen eines regulären Bauvorhabens passieren, würde die öffentliche Verwaltung mit den ihnen verfügbaren Instrumenten versuchen, die Ordnung wieder herzustellen. Das Penthaus à la Parasit kann diesen Konflikt eine Ebene höher schieben und damit die Regel selbst zur Disposition stellen.
Auch das Beispiel der Intervention des Penthauses in München zeigt diese Dynamik. Indem es auf einen der höchsten Punkte in der Münchner Altstadt platziert wurde, stellte es symbolisch die Frage nach der Höhenbegrenzung. Im konkreten Fall war dies sogar ein Streitthema bei der Erteilung der Baugenehmigung für das geplante Neubauprojekt auf dem Grundstück. Die Eigentümer nutzten die Symbolik des Penthaus à la Parasit, die Beschränkung der Baugenehmigung auf politischer Ebene in Frage zu stellen.
Der dritte politische Mechanismus des Penthaus à la Parasit ist die Netzwerkinkubatorfunktion. Das Penthaus à la Parasit schafft eine Plattform für die Bildung von neuen Netzwerken. Netzwerke spielen eine wichtige Rolle im politischen System. Sie dienen sowohl der Kommunikation von Informationen und politischen Ideen, der Mobilisierung bei konkreten politischen Themen, sie bilden die Basis von Koalitionen für politische Mehrheiten und letztlich dienen sie auch als Recruiting-Pool für Nachwuchs. Netzwerke sind meist nicht formalisiert und basieren auf losen Bekanntschaften.
Das Penthaus à la Parasit kann neue Netzwerke schaffen, insbesondere, indem es Menschen aus unterschiedlichen Milieus anspricht und zusammenbringt. So adressiert das Penthaus à la Parasit nicht nur politische Aktivisten und Engagierte, sondern zum Beispiel auch Menschen mit Interesse an Architektur, Kunst und der direkten Nachbarschaft, in der die Intervention stattfindet. Das Penthaus baut gezielt Brücken zwischen Milieus und ist nicht nur in einem Milieu verankert. Es bildet eine Basis für Netzwerke, die bisher noch nicht existierten.
Richtig bilden können sie die Netzwerke jedoch nur im Rahmen von Präsenzveranstaltungen, in denen es Raum für Austausch gibt. Das Penthaus à la Parasit ermöglicht dies vor allem im Rahmen der zahlreichen Begleitveranstaltungen, die auch einen Raum für gegenseitiges Kennenlernen bieten. Bei der Intervention in München 2020 wurde beispielsweise ein Vernetzungsabend zwischen stadtpolitischen Initiativen1 organisiert, der auf gegenseitigen Austausch von Best-Practice Beispielen zielte oder auch ein Nachbarschaftsbrunch, der alle Bewohner*innen der umliegenden Straßen zum Penthaus und zur Auseinandersetzung damit einlud.
Die stärksten Netzwerke entstehen durch gemeinsame Aktionen und Veranstaltungen. So wurden im Rahmen der laufenden Intervention Penthaus à la Parasit einige Veranstaltungen und Aktionen erst vor Ort initiiert. Diese Form der aktiven Mitwirkung lässt sich schwer planen, schafft aber bei erfolgreicher Kooperation noch mehr Vertrauen im neu entstehenden Netzwerk. Beispielsweise wurde im Rahmen der Intervention in München eng mit unterschiedlichen stadtpolitischen Initiativen kooperiert, die sich dadurch besser kennen gelernt haben. Für die Bildung dieser Netzwerk ist die Rolle der inoffiziellen und informellen Events, etwa kleinere Dinner beim Penthaus, nicht zu unterschätzen. Ein informelles Umfeld erlaubt oft mehr Austausch als stark strukturierte Veranstaltungen.
Letztlich spielen alle drei Mechanismen, die hier beschrieben wurden, zusammen. Während das parasitäre Agenda-setting vermutlich die sichtbarste Form der politischen Beteiligung ist, sollte die Bedeutung der weiteren Kanäle nicht unterschätzt werden. So gibt es in München mit dem Bellevue Di Monaco2 ein gutes Beispiel dafür, wie aus einer künstlerischen Intervention eine politische Entscheidung vollkommen revidiert werden kann. In dem Fall hat eine Wohnzimmer Besetzung die Grundlage für das Entstehen eines Kulturzentrums mit bezahlbarem Wohnen ermöglicht und einen Abriss verhindert.3 Das Penthaus à la Parasit hat jedenfalls das Potenzial, politische Entscheidungen zur spezifischen Orten zu ändern, genauso wie es auch bei Grundsatzfragen einen Ausschlag geben kann. Die Bedeutung von Netzwerken in politischen System ist nicht zu unterschätzen, aber auch schwer zu fassen. Netzwerke bilden die Basis für politisches Handeln und bleiben doch oft unsichtbar. Das Penthaus baut neue Netzwerke und erweitert bestehende und leistet auch so einen Beitrag zum politischen System. Letztlich kann daraus geschlussfolgert werden: Das Penthaus à la Parasit ist ein politischer Beitrag, doch gleichzeitig auf Grund der parasitären Natur ein künstlerischer und spielerischer Beitrag.

References
- #ausspekuliert, Kollektiv Polizeiklasse, Junges Münchner Forum, Exist, Superheld*innen, die Städtischen
- https://bellevuedimonaco.de/
- https://www.youtube.com/watch?v=tBk2HdyuzB0